Gustav Speckhart


Gustav Speckhart (1852-1919)

Am 07.06.1852 kam Gustav Speckhart in Schweinau bei Nürnberg zur Welt. Er war der erstgeborene Sohn des Bäkers Johann Speckhart und seiner Gattin Anna Margarethe, geb. Wolf. Nach der Umsiedlung der ganzen Familie im Jahr 1861 nach Nürnberg begann der inzwischen konfirmierte Gustav 1866 eine Uhrmacherlehre bei dem Meister Albert Müller. Dabei wurde er seinerzeit von dem Obermeister Paul Hellmuth in die noch damals existierende Zunftliste eingeschrieben. Im Anschluß an die Lehre erhielt er eine erste Anstellung bei dem Meister Fritz Stoer. Dieser vermittelte ihn 1869 weiter an dessen Freund und Meister Fritz Edelmann in Neustadt an der Aisch. Hier befasste er sich ausgiebig mit der Reparatur von Spindeluhren. 1870 kehrte er nach Nürnberg zurück und fand eine Anstellung bei L.Kobell.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 versah er den Lazarettdienst vorort. Im Anschluß daran kehrte er kurzzeitig zu Fritz Stoer zurück, und ging anschließend auf die Walz. Diese erstreckte sich von Homburg, Kaiserslautern, Worms, Mainz, Frankfurt, Kassel, Hannover bis nach Hamburg. Hier wurde er zur Musterung nach Nürnberg zurückbeordert und erhielt den Status eines Reservisten. Zum Militäreinsatz wurde er aber nicht benötigt und stand somit seinem eigentlichen Beruf wieder zur Verfügung. Er ging zur Aushilfe zum einstigen Meister nach Neustadt an der Aisch. Anschließend fand er eine Anstellung bei Josef Sedelmayr, Nürnberg, wo er bis 1873 blieb. Es folgte ein Jahr (bis 1874) bei der alteingessenen Nürnberger Firma Carl Eigenmann.
Im gleichen Jahr eröffnete er eine eigene Meisterwerkstatt (ohne Meisterstück, da zwischenzeitl. die Gewerbefreiheit eingeführt war). Diese entwickelte sich erfreulicherweise sehr lukrativ. 1876 ehelichte er dann Maragrethe, geb. Eißler. Aus dieser Ehe entstanden vier Kinder.



1882 war in Nürnberg Verbandstag. Auf diesem lernte er Moritz Großmann (Glashütte) kennen, den er zu sich einlud. Es ist zu vermuten, dass bei Gesprächen mit diesem der Entschluß reifte eine Taschenuhren-Fabrikation zu gründen. 1884 setzte er seine Überlegungem in die Tat um und verkaufte seine Werkstatt um die Manufaktur mit dem Namen "Uhrenfabrik Speckhart & Co." zu eröffnen. Er konzentrierte sich auf die Herstellung einfacher preiswerter Taschenuhren, die als "Nürnberger Sackuhren" vertrieben wurden. Mentale Schützenhilfe erhielt er durch Gustav Becker (Freiburg i. Schlesien), der ihn 1885 besuchte. Der Ausflug in die Uhrenfabrikation war leider erfolglos und 1886 gab er das Unternehmen wieder auf.



Er zog sich nach Mögeldorf einem Vorort von Nürnberg in das von seinen Eltern erworbene Haus zurück und widmete sich fachgeschichtlichen Studien und veröffentlichte Fachschriften und -bücher. Dabei entstanden die folgenden Titel: "Die Uhren im herzoglichen Museum zu Gotha" (1886), "Peter Henlein" (1891), "Die Sammlung Marfels, beschrieben etc." (1903) und das Buch "Die Geschichte der Zeitmeßkunst" (1903, eine Übersetzung und Überarbeitung des Werkes "Histoire de la mesure du Temps" von Claudius Saunier).




Ausserdem vervollständigte er seine sehr interessante Sammlung von Taschenuhren und Tischuhren. Diese wurde später von Erhard Junghans aufgekauft und von dessen Sohn Arthur Junghans als Grundstock zur Gründung des "Deutschen Museums für Zeitmeßkunde" in Schramberg zur Verfügung gestellt.
Er wurde aber auch uhrmacherisch wieder tätig. Dazu richtete ihm seine Mutter eine Werkstatt in Mögeldorf ein, die er gemeinsam mit Heinrich Blab, einem Bildhauer, unter dem Namen "Atelier für kirchliche Kunst – mit und ohne mechanische Ausstattungen" betrieb.
In dieser Zeit erhielt er von Carl Marfels den Auftrag eine "Kunstuhr mit Passionsspiel" speziell für die Weltausstellung in Chicago zu bauen, die 1893 fertiggestellt wurde. Bei dieser Uhr handelt es sich um eine Kirchuhr mit einer Anzahl von beweglichen Figuren, die in passende Gruppen zusammengestellt, eine Darstellung der Passionsgeschichte bilden. Mitbeteiligt waren der oben erwähnte Heinrich Blab und der Architekt Clemens Kessler (Nürnberg) und weitere Künstler.
Beschreibung:
Die hölzerne Uhr hatte eine Höhe von fast fünf Metern und bestand aus drei Etagen (Unter- Mittel- und Oberbau). Der Unterbau wurde von Schnecken und Schildkröten getragen, letztere hatten bewegliche Köpfe. Der Unterbau fand seinen Abschluß in einer Galerie in ca. 80 Zentimeter Höhe. Am Mittelpunkt der Galerie befand sich ein heraldischer Adler in Hupp´scher Manier. Er stellte den Staat Bayern dar der die Kunst betreute. Dazu war auf der Brust des Adler die Patrona Maria eingeschnitzt. Im Unterbau war ein Orgelwerk plaziert, welches passend zur grade dargestellten Passionsgruppe Choräle spielte. An den Seiten des Unterbaus waren zwei Kupfertafeln angebracht, auf welchen in gothischen Schriftzeichen das Lied "Des Kreuzes Gruss" geätzt war. Mittig davon war die figürliche Darstellung des Meisters selbst plaziert.
Den Mittelbau verzierten im unteren Teil Figuren des alten Testamentes. Mittig saß Moses, zu seinen Seiten waren Jeremias und Jesaias plaziert. Eine architektonisch reich ornamentierte Überdachung und gürtelförmige Umfassung begrenzten den unteren Teil des Mittelbaus. Darüber war eine bühnenartige Nische zu sehen, dem Presbyterium. Auf dieser Bühne erschien zu jeder Stunde eine Darstellung der Leiden Christi nach Art des Oberammergauer Passionsspiels. Es begann mit dem Einzug Christi in Jerusalem. Es folgte das Abendmahl, die Ölbergscene, die Geißelung, Christus vor Pilatus, der Kreuzweg, die Kreuzigung auf Golgatha und die Auferstehung. Jede dieser Gruppenspiele wurde in der der Tageszeit passenden farblichen elektrischen Beleuchtung angestrahlt.
Neben dem Presbytorium waren ebenfalls in Nischen auf beiden Seiten orietalische Strassenansichten zu sehen. Unter den Strassenansichten und dem Prsbytorium war folgender Spruch zu lesen: "Si cognovisses et tu in hac die tua quae ad pacem tibi". Zwischen den Nischen waren auf vier Pfeilern unter reichverzierten Baldachinen die vier Vertreter des Neuen Testamentes, Petrus, Paulus, Jakobus und Johannes, gesetzt worden. Die Überdachung des Mittelbaus bildete eine reich verzierte Galerie aus Türmchen, Dachungen und Masswerken und Ornamenten.
Der Oberbau entwickelte sich oberhalb des Presbytoriums als turmartiges Uhrengehäuse. In der Mitte des Turms ist das Zifferblatt angebracht. Die Mitte des Zifferblatts bildete die Sonne als ältestes Hilfsmittel der Zeitmessung. Die Minuten- und Stundenzeiger stelten den Mond bzw. einen die Sonne umkreisenden Planeten dar. Der Sekundenzeiger aber war auf der Minuterie angebracht und kam in der Darstellung als "Ei des Columbus" daher. Über dem Zifferblatt war die Erdkugel halb vergoldet, halb blau mit Sternen plaziert, die sich in 24 Stunden einmal um sich selbst drehte und damit Tag und Nacht darstellte.
Oberhalb des Uhrenturmes fand sich in einem Türmchen eine zierliche Glocke mit der Aufschrift: "Sicut fur in nocte" und "Estote parati". Rechts von der Glocke saß auf emporstrebenden Pfeilern der Tod, welcher mit einem Knochen die Viertelstunde schlägt. Links saß der Todesengel, der in der einen Hand die Sanduhr und ind er anderen eine Hammer hielt, der die volle Stunde schlug. Auf der Spitze des Glockentürmchens krähte der Hahn und kündigte den Tag und die Nacht an. Das jüngste Gericht aber wurde mit auf darüber gebauten Konsolenpfeilern und Bogen befestigten drei Posaunen blasenden Engeln dargestellt.
Mechanisch bestand die Uhr aus 13 Uhrwerken. Eines diente der Musik. Neun weitere der Bewgungen der Figurengruppen. Noch eines diente dem Hahneschrei. Es war noch ein Stunden und ein Viertelschlagwerk vorhanden. Die Gangdauer betrug acht Tage. Sämtliche Werke standen miteinander in Verbindung.



Passionsuhr von 1893

In 15 großen Kisten wurde die Uhr nach Chicago verbracht. Den Aufbau leitete Gustav Speckhart höchstpersönlich. Auf der Weltausstellung erhielt er fünf Auszeichnungen für die Uhr. Anschließend wurde sie in weiteren Ausstellungen gezeigt, unter anderem auch in München und auf der Gewerbeausstellung in Berlin (1896). Bei einem Brand auf einer Gewerbeausstellung in Arnheim im Jahr 1897 wurde die inzwischen weltberühmte Uhr nahezu vollständig zerstört. Lediglich die beweglichen Gruppen der Passionsgeschichte konnten gerettet werden.



aus "Allgemeine Uhrmacher-Zeitung" 1893

Arthur Junghans beauftragte, auf Anregung von Carl Marfels, Speckhart nun eine neue Kunstuhr zu bauen. Auch dieses Mal war Heinrich Blab mitbeteiligt. Die neue Kunstuhr unterschied sich von der alten durch folgende Details. Die drei Engel wurden von drei Figuren ersetzt, welche das Licht, den Blitz und den Fernsprecher tragen. Ausserdem zeigt sie ein Relief mit einer Lokomotive, welches grade einen Tunnel verlässt und unter dem Zifferblatt platziert wurde. Desweiteren sindt ein Dampfboot und sonstige Verkehrs-Enbleme der neuen Zeit zu entdecken. Schon damals empfand man diese neuen Darstellungen als störend und im Widerspruch zur eigentlichen christlichen Thematik. Auf die figürliche Darstellung Speckharts wurde zugunsten von Klio in der Tracht des 15. Jahrhunderts, der Muse der Geschichte, verzichtet.



Passionsuhr von 1900

Auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 kam die Uhr zu Ehren und erregte viel Aufsehen. Speckhart erhielt dort eine Auszeichnung für seine Uhr. Heute steht sie im Schramberger Stadtmuseum. Die Leistungen Speckharts werden hier bedauerlicherweise kaum gewürdigt.



aktuelle Detailaufnahme der Passsionsuhr


werkseitige Ansicht der beweglichen Gruppen der Passionsgeschichte

Insgesamt hatte Speckart folgende Auszeichnungen erhalten: Nürnberg (jeweils 1882, 1884 und zweimal 1885), Teplitz (1884), Chicago (fünfmal 1903) und Paris (1900). Ausserdem er hielt er von Seiner Majestät König Karl von Württemberg die 1899 von ihm gestiftete Jubiläums-Medaille in Silber am Bande des Friederichsordens (für die Zusammenstellung der alten Uhren des Schwarzwaldes).
Als eines seiner letzten Arbeiten gilt die von Arthur Junghans in Auftrag gegebene "Wasseruhr des Ktesibios". Der Grieche Ktesibios lebte lange vor Christi Geburt, und zwar in der Mitte des zweiten Jahrhunderts. Die Existenz dieser Uhren war nur noch in alten Schriften belegt. Zusammen mit Josef Holzöder (Turmuhrmacher in Rothenburg o.d.Tauber), mit dem er bereits die Kunstuhr "Meistertrunk" restauriert hatte, und Reinhold Prell (Architekt, Nürnberg) erbauten sie eine Rekonstruktion.



Wasseruhr des Ktesibios nach Speckhart


Wasseruhr des Ktesibios nach Claude Perrault

Bereits im 19.Jahrhundert wurde die Wasseruhr des Ktesibios von Claude Perrault nachgebaut (s.o.). Speckhart hatte sich bei seiner Uhr an Perrault orientiert. Seine Uhr war für das Deutsche Museum in München bestimmt, welches am 05.05.1925 eröffnet wurde. Die Gruppe Zeitmessung bildete die Einleitung zu der physikalischen Abteilung im ersten Stock direkt neben den Ehrensaal. Speckharts Uhr fand dort am Fensterpfeiler einen Ehrenplatz. Wo sie sich heute befindet ist nicht bekannt.
Am 10. Juni 1919 verstarb Gustav Speckhart an den Folgen eines Hirnschlags.




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