Hermann Goertz



Hermann Goertz (1862-1944)

Er wurde am 02.04.1862 in Montauerweide/Westpreußen geboren. Nach dem Verlust seiner Eltern wuchs er bei der Verwandtschaft in Berdjansk auf. Zunächst war er dort als Spezialarbeiter in einer Maschinenfabrik tätig. Dann erlernte er das Uhrmacherhandwerk, machte seinen Meister, heiratete die Tochter seines Lehrmeisters und übernahm dessen Geschäft. Zuvor führten ihn die Lehrjahre aber nach Odessa ans Schwarze Meer.
Nach 16 ruhigen Jahren in der Provinz, wurde ihm auf einer Parisreise im Jahr 1900 ein Uhrmachergeschäft in Charkow angeboten (der Besitzer war gestorben und der Sohn, von Beruf Bahnbeamter, fand keine Verwendung für das Uhrengeschäft). Dieses baute er zu einer der ersten Adresse aus und verlegte es in einen Neubau in die Moskauer Straße in bester Lage neben dem Nicolai Platz. Er ließ seine Familie, bestehend aus Frau und drei Kindern (1 Sohn und zwei Töchter) nachkommen. Sein Renomee verhalf ihm zum Posten des Vertrauensuhrmachers der örtlichen Universitätssternwarte, die unter der Leitung des Astronmos Ludwig Stuve (1858-1920) stand.
Mit dem Japanischen Krieg 1904/05 begannen aber die ersten Unruhen durch Nihilisten (Vorläufer des Bolschewismus). Goertz mußte die Schaufenster seines Geschäfts in dieser Zeit mit Brettern vernageln. Schießereien waren an der Tagesordnung. Erst das ernergische Durchgreifen der zaristischen Kosaken sorgte wieder für Ruhe.
Als Wolgadeutscher wurden er zum Beginn des 1.WK gemäß alter Vorrechte nicht zum Kriegsdienst für Rußland herangezogen. Die Russische Revolution führte 1918 aber zur Enteignung seines Geschafts ins Charkow. Goertz verlor Hab und Gut. Mit dem Deutschen Militär (Heeresgruppe Eichhorn), welches nach Charkow kam, wurde ein "Heimkehrbüro" für Deutschstämmige errichtet. Goertz nutzte die Gelegenheit und ging alleine (seine erste Frau war zwischenzeitlich verstorben und seine zweite Frau, eine Russin, lehnte ein Verlassen ihrer Heimat ab; von seinen Kindern war er durch die Revolution getrennt) nach Deutschland und landete über Umwege in Glashütte. Seine "Kunstuhr" konnte er retten, da die Bolschewisten mit einer Uhr ohne Gehäuse nichts anzufangen wußten.



In Glashütte wurde er mit 56 Jahren Schüler der Deutschen Uhrmacherschule. In dieser Zeit stellte er die "Astronomische Kunstuhr" die er schon in Berdjansk zu bauen begonnen hatte , fertig und gewann damit u.a. auch eine Anerkennungsurkunde der Grossmann-Stiftung. Der untere Teil der Kunstuhr war ursprünglich nicht vorgesehen und entstand auf Anregung von Alfred Helwig. Das Gehäuse der Uhr wurde von der Glashütter Kunsttischlerei Arthur Guricke von dem Gesellen Bruno Reichel (Vorfahre des heutigen Museumdirektors Reinhard Reichel des Glashütter Uhrenmuseums) gebaut. Es ist 2,5m hoch und 1,5m breit und besteht aus Mahagoni.



Die Uhr wird durch zwei Gewichte angetrieben und hat eine Gangdauer von ca. 30 Tagen. Die Gangreserve wird für beide Gewichte mit jeweils einem "Auf". und "Ab"-Zeiger angezeigt. Das Schlagwerk schlägt zu jeder Viertel- und vollen Stunde. Die Hinterwand ist als Resonanzboden konstruiert (Meister Guricke war vormals Klavierbauer) und sorgte für einen kräftigen sauberen Wohlklang. Das Rechenwerk ist eine eigenständige Konstruktion und völlig geräuschlos und so konstruiert, dass nur geringer Kraftaufwand vonnöten ist um sie ingang zusetzen. Erreicht wird dies über Saphirlochsteine, in die die drei letzten Wellen gelagert sind. Aber auch beim Gangwerk wurde mit Saphirsteinen nicht gespart. Selbst die Ankerklauen der Grahamhemmung waren damit armiert.

Anzeige Stunde / Minute sowie digital Jahr auf dem Hauptzifferblatt
Anzeige Sekunde / Äquation oberes Zifferblatt
Anzeige Wochentag / Gangreserve (Schlagwerk) linkes Zifferblatt
Anzeige Monat / Gangreserve (Gehwerk) rechtes Zifferblatt
Anzeige Datum / Vergangenes Schaltjahr unteres Zifferblatt
Anzeige Mondphase im Halbkreis oberhalb des Hauptzifferblattes
Anzeige Mondlauf / Mondalter linkes Zifferblatt unten
Anzeige Sternzeit / Tierkreiszeichen mittleres Zifferblatt unten
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Auffällig ist die symmetrische Anordnung der Zifferblätter, wie man sie bei astronomischen Uhren nur ausgesprochen selten findet. Das Werk wurde auch dementsprechend konstruiert. Bis heute hat es kein Uhrmacher vermocht so viele Anzeigen in wohlgeordneter Form anzubringen, ohne, dass die Uhr überladen wirkt.
Der Bau der Uhr begann 1892 in Berdjansk und wurde 1900 in Charkow fortgesetzt. In Glashütte folgte die werkliche Fertigstellung in der Zeit von 1918 bis 1922. Es folgte eine dreijährige Beobachtungszeit, bevor das Zifferblatt aufgesetzt wurde. Vollendet war die Uhr am 17.10.1925. Heute steht die Uhr im Foyer des Uhrenmuseums in Glashütte.



Als Präzisionsuhrmacher arbeitete er auch für "Lange & Söhne". Er entwickelte zwei Hemmungssysteme, die er sich patentieren ließ und baute sie in Präzisionspendeluhren ein. Von diesen wurden von ihm ungefähr 12 St. hergestellt.
Nach einem Schlaganfall 1937 verbrachte er den Rest seiner Tage im Altenheim in Aue und verstarb am 27.12.1944.




Goertz war sehr gut befreundet mit Paul Stübner (1860-1946, Angestellter bei "Strasser & Rohde") und Alfred Helwig (1886-1974, Fachlehrer an der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte).



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